Es ist eine besondere Zeit, es ist Corona-Zeit!

Wir danken den Menschen, die ihre Zeit und Kraft ehrenamtlich in unsere Vereinsarbeit investieren. Diesen Menschen möchten wir unsere Interviewreihe widmen. Mit Einigen von Ihnen haben wir über ihr ehrenamtliches Engagement und die besonderen Herausforderungen in der Corona-Zeit gesprochen. Es erwarten Sie spannende Geschichten von der Vereinsgründung, über die Ideenentwicklung zum größten Leseprojekt "Meine erste Bibliothek“. Aber auch über die Herausforderungen der kulturellen Integration von Migrantenkinder und darüber, wie die Corona-Pandemie die Tätigkeiten und Möglichkeiten verändert hat.

Wir starten unsere Interviewreihe mit unserer Vorsitzenden und Vereinsmitbegründerin Arzu Cetinkaya und dann folgen über die nächsten Wochen verteilt weitere Interviews.

Danke an alle Interviewpartner*innen fürs Mitmachen und

viel Vergnügen beim Lesen!


 

Verena Göttl ist studierte Islamwissenschaftlerin und arbeitet als Integrationskraft an einer Förderschule in Troisdorf. Sie engagiert sich seit Herbst 2019 im Verein und hilft bei der Planung und Durchführung von Kulturangeboten in den Schulferien.


1.Wie sind Sie auf den Verein aufmerksam geworden? Warum haben Sie sich für Kultur verbindet e.V. entschieden?

 - Ich habe schon in meiner Schulzeit ehrenamtlich an verschiedenen sozialen Projekten mit Kinder mitgewirkt. Nach dem Studium wollte ich sehr gerne weiter mit Kindern arbeiten. Ich habe nach den passenden Jobs im Internet recherchiert und bin auf die Stellenausschreibung von Kultur verbindet e.V. aufmerksam geworden. Daraufhin habe ich mich beworben und fand es ganz toll, dass der Verein sich vornehmlich mit den Kindern aus den zugewanderten Familien beschäftigt. Diese Gelegenheit gab auch einen wunderbaren Anschluss an mein Studium. Die ausgeschriebene Stelle zur Planung und Durchführung von Kulturangeboten war sehr interessant und gleichzeitig auch wichtig! Also das Arbeiten mit den Kindern und für die Kinder!


2. Was gefällt Ihnen besonders gut bei Ihrer Tätigkeit? Wo sehen Sie Ihre persönliche Herausforderung dabei?

 - Ich mag die Durchführung der Projekte am meisten. Einerseits entstehen bei der Projektplanung viele interessante und großartige Ideen, aber die tatsächliche Arbeit mit Kindern ist am schönsten für mich. Die Projekte mit den Kindern zusammen zu erleben und zu sehen, was gut und was weniger gut bei ihnen ankommt. Das ist nicht immer vorhersehbar! Außerdem ist es super zu sehen, wenn die Kinder Neues wagen, z.B. ein Insekt zu berühren vor welchem sie sich gerade noch geekelt haben oder ein Klettergerüst bezwingen.
Bei unseren Stadterkundungsprojekten in Tannenbusch und Plittersdorf haben die Kinder ihren Stadtteil entdeckt, um sich besser dort verorten zu können. Ebenfalls wurden sie als Expert_innen für die mögliche kindergerechte Gestaltung des Stadtteils wahrgenommen. Sie haben ihre kritische Meinung zur Gestaltung der öffentlichen Spielplätze, Gehwegen, Beschilderung etc. geäußert. Durch diese Partizipation hat man ihnen eine Stimme gegeben! Das fand ich besonders schön! Das Schwierigste bei den Projekten ist es, die Kinder bzw. genug Kinder dafür zu gewinnen. Wir mussten in der Vergangenheit tatsächlich einige Projekte absagen, weil einfach kaum Anmeldungen dafür eingegangen waren.


3. Haben Sie durch Ihre Arbeit im Verein gemerkt, dass ihre Sichtweise bezugnehmend auf Zuwanderung/Migration/Integration sich verändert hat?

 - Nicht wirklich! Ich war damit bereits während meines Studiums konfrontiert. Ich habe ein Ehepaar, das aus Ägypten geflohen ist, in ihrem Lebensalltag unterstützt. Die Frau war schwanger und ich habe sie immer zu den Arztbesuchen begleitet. Deshalb hat sich meine Sicht nicht geändert! Es ist nicht mein erster Kontakt zu zugewanderten Menschen. Spannend zu sehen war für mich, wie unterschiedlich die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder sind. Manche Kinder sind sehr fit, die anderen haben noch etwas Förderbedarf. Dafür setzt sich der Verein auch sehr stark, z.B. mit dem Leseprojekt „Meine erste Bibliothek“ oder den kulturellen Freizeitangeboten ein, sodass die Kinder vermehrt in ein deutschsprachiges Umfeld kommen und nicht nur in der eigenen Familie sind. Das finde ich persönlich sehr wichtig!


4. Haben Sie ein bestimmtes Lebensmotto, das Sie jeden Tag motiviert?

 - Ich habe kein bestimmtes Lebensmotto. Ich bin so durch mein Leben sehr motiviert! Aber ein Zitat aus Goethes „Faust“ finde ich besonders gut: „Es irrt der Mensch, solang‘ er strebt!“


5. Was wünschen Sie dem Verein für die Zukunft?

 - Ich wünsche mir, wie wahrscheinlich viele von uns, dass die Corona-Pandemie endlich vorbeigeht. Des Weiteren wünsche ich mir, dass wir wieder unsere Veranstaltungen für Kinder durchführen können und dafür mehr Kinder gewinnen, indem wir einen leichteren, näheren Kontakt zu den Eltern schaffen. Es sind nicht nur die Schule und der schulische Alltag für die Kinder wichtig, sondern auch eine sinnvolle Freizeitgestaltung, die sich in den schulischen Leistungen widerspiegelt! Letzteres sollte den Eltern immer wider nahgelegt werden.

Am 29.04.2021 interviewt von Victoria Luin


"Lachen macht Freude und stärkt die Gesundheit!"

Gerda Schuster ist pensionierte Lehrerin und hat vor dem Ruhestand die Hauptfächer Englisch und Sport an der Elisabeth-Selbert-Gesamtschule unterrichtet. Sie engagiert sich seit ca. 3 Jahren im Verein und ist BuchPatin von einem 10-jährigen algerischen Mädchen an der Erich-Kästner-Grundschule.


1. Wie sind Sie zum Verein gekommen? Warum haben Sie sich für Kultur verbindet e.V. entschieden?

- Ich bin über den Aufruf vom Generalanzeiger darauf aufmerksam geworden, dass BuchPaten*innen für die Grundschule gesucht werden. Dass es die BuchPaten*innen gibt, wusste ich schon vorher, weil ich als Lehrerin an der Elisabeth-Selbert-Gesamtschule tätig war und es auch dort BuchPaten*innen gab. Jetzt engagiere ich mich ehrenamtlich als BuchPatin an der Erich-Kästner-Grundschule. Ich habe sehr viel Freude mit meinem Patinkind. Sie ist ein ganz tolles Mädchen, intelligent und an vielen Dingen interessiert. Wir haben einen sehr emotionalen Kontakt miteinander. Sie lebt mit vier Brüdern zusammen und ist das einzige Mädchen in der Familie. Deshalb erscheint es für mich so wichtig, während der Corona-Zeit den Kontakt zu ihr zu halten, um stärker den weiblichen Aspekt in ihr Leben zu bringen.

2. Wie gestaltet sich genau Ihre Patenschaft unter den Corona-Einschränkungen?

- Wir können uns nicht sehen, aber ich versuche mein Patenkind beim Lesen zu unterstützen und kaufe ihr selbst neue Bücher, weil sie sehr gerne liest. Im Moment liest sie Harry Potter, durch eine Schulfreundin angeregt, deshalb habe ich ihr den Band 5 vor kurzem geschenkt. Außerdem benutze ich aus dem Generalanzeiger „Neues von Gary – Nachrichten für Kinder“ und jetzt auch in der Corona-Zeit die Kinderrätsel mit den Lösungen. Ich schneide die Sachen aus, sammle sie ein paar Tage, stecke sie in einen Briefumschlag und werfe diesen in ihren Briefkasten. Sie schickt mir dann immer eine WhatsApp-Nachricht zurück und bedankt sich. Das sind so die Dinge, die ich im Moment mache, um den Kontakt mit ihr trotz Corona zu halten. Ich bedauere es sehr, dass ich nicht mehr tun kann und hoffe, dass wir uns bald wiedersehen und miteinander lesen können.

3. Was gefällt Ihnen gut an Ihrer Ehrenamtsarbeit? Welche Herausforderungen sehen Sie dabei?

- Wir haben am Anfang diese typischen Mädchenbücher gelesen, in denen meistens über Pferde oder Reiten erzählt wird. Aber mein Patenkind kam irgendwann zu mir und sagte, dass es nicht mehr diese Pferdebücher lesen will, weil sie alle sehr ähnlich sind. Dann hat ihre Klassenfreundin ihr das Buch über Harry Potter ausgeliehen und das findet sie viel spannender! Schließlich kennt das jeder: Lesen macht dann Spaß, wenn das Thema interessant ist. Und das ist in unserem Fall sehr gut gelungen!

Ich finde es schade, dass mein Patenkind an den Kulturangeboten des Vereins nicht teilnehmen kann. Sie geht an den Wochenenden in die arabische Schule, deshalb kann es an den Aktionen, die meistens am Wochenende stattfinden, gar nicht teilnehmen. Ich finde diese Vereinsangebote interessant und würde mich sehr für sie freuen, wenn sie daran teilnehmen könnte. Die Eltern unterstützen unsere Lesearbeit, aber nicht die Teilnahme an den Freizeitangeboten (aus o.a. Grund).

4.  Haben Sie ein bestimmtes Lebensmotto? Was motiviert Sie in Ihrer Arbeit?

- Mein Lebensmotto lautet: „Lachen macht Freude und stärkt die Gesundheit!“ Beim Lesen haben wir Spaß und lachen, wenn etwas Lustiges vorgelesen wird. Zu Beginn der Corona-Einschränkungen konnten wir sogar noch zusammen in Begleitung mit ihrer Mutter Eis essen gehen. Aber das ist leider schon sehr lange Zeit her. Wir sehen uns nur kurz an der Tür, wenn ich die Bücher vorbeibringe -natürlich mit Maske und Abstand! Der persönliche Kontakt fehlt in dem Sinne, aber wir freuen uns auf diese kurzen Augenblicke, wenn wir uns sehen. Diese Freude des Kindes gibt mir immer wieder die Motivation, auf jeden Fall weiter zu machen!

5. Was wünschen Sie sich für die zukünftige Arbeit?

- Ich wünsche mir im Moment, dass die Corona-Pandemie vorbeigeht und ich mit meinem Patenkind persönlich lesen kann. Ich wünsche mir, dass sie wieder auf dem Schulhof angelaufen kommt und in meine Arme springt und dass es endlich mit dem Lesen an den Schulen losgeht.


Am 17.03.2021 interviewt von Victoria Luin / Bildquelle: Kultur verbindet e.V.




Brigitte Greiffendorf ist Diplom-Pädagogin und seit ca. 6 Jahren ehrenamtlich für Kultur verbindet e.V. tätig. Sie hat Pädagogik studiert und viele Jahre in der Erwachsenenbildung gearbeitet. Im Verein engagiert sie sich als Koordinatorin und BuchPatin an der Lyngsbergschule.


1.Wie sind Sie auf den Verein aufmerksam geworden? Warum haben Sie sich für Kultur verbindet e.V. entschieden?

- Ich habe einen Zeitungsartikel über Kultur verbindet e.V. im General-Anzeiger gelesen. Unter der dort   angegebenen Nummer habe ich angerufen und mich bei der damaligen Koordinatorin der Lyngsbergschule - Frau Fromm - informiert. Ich fand das Engagement des Vereins sehr ansprechend und wollte gern an einer Schule in Bad Godesberg mitarbeiten, da ich dort wohne. Seitdem bin ich für den Verein ehrenamtlich tätig.

2. Was gefällt Ihnen besonders gut an der Vereinsarbeit?

- Als BuchPatin lese ich mit einem Kind, manchmal auch mit zwei Kindern gemeinsam, möchte sie für Bücher begeistern. Außerdem bin ich für die Koordination an der Schule verantwortlich. Das ist eine gute Herausforderung für mich! Ich komme nicht nur zur Schule, lese mit Kindern und gehe danach nach Hause, sondern versuche die Arbeit der Buchpaten zu vernetzen.  

Ich möchte dafür sorgen, dass es allen rundum gut geht! : den Kindern, dass sie die richtigen Paten haben, den Paten, dass sie mit ihren Kindern zurechtkommen und die richtigen Bücher zum Lesen erhalten und Räume finden, in denen sie ungestört lesen können. Auch der Kontakt zu den Klassenlehrern muss gut gepflegt werden Ich versuche einfach da zu sein und zu vermitteln, wo es gerade hakt oder Hilfe gebraucht wird. Mir ist auch wichtig, dass die BuchPaten auch untereinander in Kontakt stehen und sich austauschen können.

3. Was war Ihr schönstes Erlebnis in Ihrer Ehrenamtsarbeit?

- Ja, das kann ich erzählen. Ich hatte ein Kind mit polnischem Hintergrund, die Eltern hatten sich getrennt.  Die Konzentrationsfähigkeit des Kindes war stark beeinträchtigt und ich fand, dass das Lesen mit ihm für mich eine Herausforderung darstellte. Bei unserer gemeinsamen Lesestunde hatte es immer etwas zum Spielen in der Jackentasche, ständig zog es Figürchen oder Flummis heraus.   Dies hinderte es daran, wirklich am Lesen oder Thema zu bleiben. Es fand immer etwas, das  vom Lesen ablenkte. Eines Tages feierte der Verein sein 10- jähriges Jubiläum und hatte dafür ein Fest im Haus der Geschichte in Bonn organisiert. Die Kinder aus der Lyngsbergschule haben bei diesem Fest gesungen. Das Kind hatte ein kleines Solo zu singen und das fand er ganz toll! Nach dem Auftritt kam es zu mir und sagte sehr ernsthaft:“ „Das habe ich nur für Dich gesungen!“ Das fand ich sehr rührend! Und nach solchen Momenten sage ich mir "Ich weiß, es lohnt sich für die Kinder einzusetzen.“

4. Wo sehen Sie Ihre persönliche Herausforderung in der Arbeit mit den Kindern mit Migrationshintergrund?

- Das ist sehr unterschiedlich! Manchmal ist das „nur“ Nachhilfe im Lesen und Erweiterung des Sprachschatzes. Oft ist das aber so, dass man ein engeres bzw. ein vertrautes Verhältnis zu den Kindern aufbauen kann. Die Kinder betrachten dann ihre Paten als Tante oder Onkel, die sie hin und wieder auch zu Hause besuchen und auch zu den Eltern ein gutes Verhältnis aufbauen können. Kurz, Integration geschieht über Sprachfähigkeit und über zwischenmenschliche Beziehungen!

Zum Beispiel, habe ich ein BuchPatenKind begleitet, das in der Familie mit sehr vielen Geschwistern aufgewachsen ist. Für dieses Kind war es einfach wichtig, dass ein Erwachsener einmal in der Woche eine dreiviertel Stunde lang aufmerksam zuhörte und dass das Kind im Mittelpunkt stehen durfte. Das war eine neue Erfahrung für dieses Kind. Zu zweit sind wir dann in den Kölner Zoo gefahren, das Kind war dort überhaupt zum ersten Mal in einem Zoo und wir haben beide den Nachmittag sehr genossen.

5. Wie gestaltet sich Ihre Patenschaft/Ehrenamtsarbeit unter den Coronabedingungen?  Können Sie sich vorstellen, dass der Einsatz von digitalen Medien Ihnen dabei helfen kann?

- Zurzeit habe ich kein BuchPatenKind, weil ich zur Hochrisikogruppe gehöre. Ich wusste nicht genau, ob das Kind, mit dem ich zuletzt las, und seine Mutter sich wirklich an die Corona-Regeln halten, ich hätte zum Lesen in die Wohnung der Familie gehen müssen. So habe ich dem Kind einige Male geschrieben, leider aber keine Rückmeldung erhalten. Viele BuchPaten*innen haben mir auch am Telefon gesagt, dass sie Angst vor Ansteckung haben und vorerst ihr Ehrenamt ruhen lassen.   

Ich kann mir sehr schlecht den Einsatz von digitalen Medien bei unserer Arbeit vorstellen, z.B. Lesen mit dem Smartphone. Auch ist mir nicht klar, ob die finanziellen Mittel in den Familien vorhanden sind, um Handy oder PC anzuschaffen. Außerdem sind mir solche digitalen Neuheiten nicht so sympathisch, muss ich ehrlich gestehen. Ich möchte lieber mit dem Kind an einem Tisch, vielleicht mit dem Abstand zum offenen Fenster, sitzen und direkten Blickkontakt zum Kind haben.

6. Haben Sie ein bestimmtes Lebensmotto?

- Kinder sind unendlich faszinierend, aber auch verletzlich. Ich möchte ihnen helfen sich in diesem Land, seiner Kultur, seinen Menschen wohlzufühlen. Das gelingt vielleicht in Ansätzen, wenn ich sie als Patin ein Jahr lang begleiten darf. Ich nehme auch etwas mit, der Kontakt zu den Kindern bereichert auch mein Leben und oft erfahre ich auch etwas von der Kultur, aus der die Kinder stammen.

Am 01.03.2021 interviewt von Victoria Luin




Anke Huber ist Betriebswirtin und Mutter von drei Kinder. Sie engagiert sich seit einem Jahr im Verein und ist BuchPatin von einem 7-jährigen spanischsprachigen Kind an der Erich-Kästner-Schule.


1.Wie sind Sie auf den Verein aufmerksam geworden? Warum haben Sie sich für Kultur verbindet e.V. entschieden?

Den Verein kenne ich erst seit Januar 2020. Im General Anzeiger stand in einem kleinen Artikel, dass der Verein Kultur verbindet e.V. Lesepaten für verschiedene Schulen sucht. Das hat mein Interesse geweckt und ich habe mich nach einem Gespräch mit Frau Dr. Rheingans (Anm. der Redaktion: Projektkoordinatorin von Kultur verbindet e.V.) entschlossen eine Lesepatenschaft an der Erich-Kästner-Schule zu übernehmen. Zwei Tage nach dem Kennenlern-Treffen mit den Patenkindern, Eltern und Lehrern wurden leider wegen der Corona-Pandemie die Schulen geschlossen. Das heißt, ich habe mit meinem Patenkind nie in der Schule gelesen.

2. Wie gestalten Sie genau Ihre Tätigkeit bei den Corona-Einschränkungen? 

Da mein Patenkind durch den Lockdown im letzten Frühjahr praktisch keine Möglichkeit hatte Deutsch zu sprechen, habe ich mir relativ schnell überlegt mit ihm die Lesestunden per Video-Telefonie (Skype) zu machen. Nach einigen anfänglichen Schwierigkeiten bin ich dann dazu übergegangen das aktuelle Buch einzuscannen und meinen Bildschirm zu teilen. So können wir beide gleichzeitig auf das Buch schauen. Das klappt prima!
Die größte Schwierigkeit beim gemeinsamen Lesen ist der teilweise noch fehlende Wortschatz. Wörter, die mein Patenkind nicht kennt und die ich so nicht erklären kann, google ich im Internet und zeige ihm ein Foto davon. So hat er zum Beispiel schon die deutschen Wörter Wildschwein, Sonnenblume oder Dirigent gelernt. Das lustigste Wort, welches ich bisher erklären musste, war „Purzelbaum“. Ich habe ihm dazu ein kleines Video gezeigt.
Im ersten Lockdown im letzten Frühjahr haben wir ein- bis zweimal Mal in der Woche gelesen. Im momentanen Distanzunterricht schaffen wir sogar drei bis vier Videokonferenzen in der Woche. Mein Patenkind freut sich jedes Mal, ist immer sehr interessiert und motiviert.

3. Haben Sie als Kind auch viel gelesen? Was war Ihr Lieblingskinderbuch?

Als Kind habe ich sehr viel gelesen. Ich hatte kein bestimmtes Lieblingsbuch, aber die Bücher von Astrid Lindgren mochte ich besonders gerne.

4. Was war Ihr schönstes Erlebnis in dem Jahr Ihrer Ehrenamtsarbeit?

Ende Mai 2020 konnte ich mich mit meinem Patenkind und seiner Familie zum ersten Mal persönlich treffen. Wir haben einen Ausflug in den Kottenforst gemacht und die Wildgehege mit den Wildschweinen und dem Rotwild besucht. Mittlerweile haben wir uns schon einige Male getroffen.  Das ist natürlich immer besonders schön und es ist ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen uns entstanden.

5. Haben Sie ein bestimmtes Lebensmotto? Was motiviert Sie im Leben?

Ich habe als Kind ja selber viel und gerne gelesen und auch meinen drei Kindern habe ich sehr gerne vorgelesen. Dadurch habe ich erfahren, wie bereichernd es ist einen Zugang zur Welt der Bücher zu haben.

Ohne gute Sprachkenntnisse und Sprachverständnis bleibt einem viel verschlossen, um hier in Deutschland am Leben teilzunehmen. Man ist dann in gewisser Weise von der Außenwelt abgeschnitten. Der Zugang zur Sprache ist so gesehen der Schlüssel für die erfolgreiche Integration! Mein Lesepatenkind ist noch jung und begegnet dieser Welt ganz offen. Wir haben auch immer wieder viel zu lachen. Ich unterstütze ihn auf seinem Weg und das macht mir sehr viel Spaß!

Am 08.02.2021 interviewt von Victoria Luin



Sabine Böhm ist pensionierte Lehrerin und seit Februar 2013 als BuchPatin an der Erich-Kästner-Schule in Kessenich ehrenamtlich tätig. Sie betreut im Moment ein 9-jähriges Kind aus einer chinesischen Familie und ein 8-jähriges Kind aus einer spanischen Familie. Außerdem übernimmt sie mit einem Buchpatenkollegen die Koordination zwischen den BuchPaten*innen und der Schule für den Verein.


1.Wie sind Sie auf den Verein aufmerksam geworden? Warum haben Sie sich für Kultur verbindet e.V. entschieden?

- Bevor ich im Jahr 2011 pensioniert wurde, habe ich mich bereits im Voraus nach den Möglichkeiten einer Ehrenamtstätigkeit erkundigt. Ich wollte entweder an einem sozialen Projekt oder in einem Verein ehrenamtlich mitarbeiten. Der Schwerpunkt der Arbeit sollte auch in schulischer Erziehung von Kindern liegen, weil ich als Lehrerin langjährige Kenntnisse und Erfahrungen in diesem Bereich hatte. So stieß ich auf einen Zeitungsartikel im Generalanzeiger über den Verein und speziell über das Leseprojekt „Meine erste Bibliothek“. Das hat mich als begeisterte Leserin sofort angesprochen. Des Weiteren erachte ich es für sehr sinnvoll, mich für Kinder einzusetzen, die aus bildungsfernen Familien mit Migrationshintergrund kommen.

Als ich dann pensioniert war, habe ich mich an den Verein gewandt. Frau Cetinkaya (Anm. der Redaktion: Vorstandvorsitzende von Kultur verbindet e.V.) war meine Ansprechpartnerin. Sie hat immer sehr begeistert bei unseren Treffen über die Vereinsarbeit erzählt. Im Februar 2013 habe ich dann mit meiner ersten BuchPatenschaft mit einem Grundschulkind der 1. Klasse angefangen. Es hat von Anfang an sehr viel Spaß gemacht!

2. Was gefällt Ihnen besonders gut an der Vereinsarbeit? Wo sehen Sie Ihre persönliche Herausforderung in der Arbeit mit den Kindern mit Migrationshintergrund?

- Es ist mir sehr wichtig, auf die Unterschiedlichkeit der Kinder einzugehen. Ich habe zwei Patenkinder im Moment, von denen eins mehr naturwissenschaftlich und das andere mehr künstlerisch veranlagt ist. Die beiden sind sehr unterschiedlich! Während das eine Patenkind sehr selbstbewusst ist und auch schon sehr gut lesen kann, ist das andere Patenkind sehr schüchtern und das Lesen geht noch etwas mühsam. Bei der Bücherwahl muss man besonders gut darauf achten, dem Kind mit dem ausgewählten Buch gerecht zu werden. Manchmal hält sich die Begeisterung auch in Grenzen, wenn es mit dem Lesen nicht so gut klappt. Diesen unterschiedlichen Voraussetzungen gerecht zu werden, ist nicht immer einfach. Das ist meine persönliche Herausforderung!
Der Verein Kultur verbindet e.V. versucht seine BuchPaten*innen zu unterstützen, in dem bei den Kulturangeboten verschiedene Schwerpunkte gesetzt werden. Für die Kinder, die eher Spaß an Unternehmungen haben, bietet sich der Besuch des Naturkundemuseums mit Experimenten und Workshops an. Für die kreativen Kinder passen Theaterbesuche und Malereien am besten. Deshalb lassen sich solche Aktivitäten mit meinen beiden Patenkindern sehr gut gestalten, weil die persönlichen Vorlieben der Kinder dabei berücksichtigt werden.

3. Haben Sie durch die Arbeit gemerkt, dass ihre Sichtweise sich bezugnehmend auf Zuwanderung/Migration/Integration verändert hat?

- Durch meine frühere Tätigkeit wurde ich bereits mehrfach mit dieser Problematik konfrontiert. Ich habe schon gemerkt, wie wichtig derartige Hilfestellung im außerschulischen Bereich ist und wie unterschiedlich sie von den Eltern angenommen wird. Es geht nicht nur um das Lesen, sondern auch um die außerschulischen Veranstaltungen.
Manche Eltern sind sehr offen und glücklich über das Angebot des Vereins. Für andere Eltern war das ein zu großer Eingriff in die Familie, in die persönliche Erziehung ihres Kindes. Die Veranstaltungen des Vereins sind in der Regel an den Wochenendtagen, an denen manche Kinder bspw. zum Arabischunterricht oder zu einem anderen Sprachunterricht gehen. Es ist verständlich und nachvollziehbar, dass die Eltern ihre Kultur und Sprache beibehalten möchten. Aber viele BuchPaten*innen wünschen sich mehr Mitwirkung von den Eltern bei der Integration ihrer Kinder. 

4. Was war das schönste Erlebnis in Ihrer Ehrenamtsarbeit?

- Ich habe meinen Beruf wirklich bis zum letzten Tag sehr gerne ausgeübt. Ich gehe immer noch sehr gerne in die Schule, um die 10 min Pause mitzuerleben, weil ich es sehr schön finde, wenn die Kinder ihren BuchPaten auf dem Schulhof entdecken und fröhlich angelaufen kommen. Es sind unbeschreibliche Emotionen! Ich erlebe das immer wieder und das bereitet mir sehr viel Freude. Zurzeit sind solche Begegnungen leider wegen Corona-Einschränkungen nicht möglich.

5. Wie gestaltet sich Ihre Patenschaft/ Ehrenamtsarbeit unter den Coronabedingungen?  Können Sie sich vorstellen, dass der Einsatz von digitalen Medien Ihnen dabei helfen kann?

- Im Moment passiert gar nichts! Das finde ich total schade! Es darf an Schulen nicht mehr gelesen werden, die Kulturveranstaltungen können nicht stattfinden. Ich habe meine Patenkinder seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen. Am Anfang stand ich mit den Kindern in schriftlichem Kontakt per Email. Ich habe immer wieder Rätselhefte oder ausgeschnittenen Rätsel aus der Zeitung per Post zugeschickt, die auch gelöst zurückkamen. Ich habe bzw. wir alle haben versucht, den Kontakt zu den Kindern zu halten. Das ist natürlich nicht mit einer persönlichen Begegnung vergleichbar!

Ich bevorzuge keinen Einsatz von digitalen Medien in der Patenschaft, weil die Kinder oft eine persönliche Ansprache und Kontakt brauchen. Außerdem habe ich selber noch keine Erfahrung und müsste mich damit intensiv beschäftigen. In meinem Alter ist das für mich eine große Herausforderung, die ich mir nicht unbedingt antun möchte.

6.  Haben Sie ein bestimmtes Lebensmotto, das Sie jeden Tag motiviert?

- „Spuren hinterlassen!“ - das war mein Motto während meiner Dienstzeit. Die Kinder erinnern sich später sicherlich daran (im positiven Sinne).  Ich glaube schon, dass die BuchPaten eine gewisse Rolle im Leben der Kinder spielen. In meinen 8 Jahren der ehrenamtlichen Tätigkeit bei Kultur verbindet e.V. habe ich 5 Patenkinder betreut. Teilweise betrachtet man sie wie eigene Enkelkinder. Auch wenn die Kinder später zur weiterführenden Schule wechseln, bestellt man sich gegenseitig liebe Grüße durch die kleineren Geschwister, die man hin und wieder in der Schule trifft. Ich fühle mich sehr wohl bei meiner Ehrenamtsarbeit und das ist das Mitentscheidende für mich, warum ich mich für Kultur verbindet e.V. engagiere!


Am 12.02.2021 interviewt von Victoria Luin / Bildquelle: Kultur verbindet e.V.