Bis zu meiner Pensionierung im Frühjahr 2011 habe ich als Lehrerin an einem Gymnasium gearbeitet. Sehr bald habe ich die Begegnung mit Kindern und Jugendlichen vermisst und mich nach einer ehrenamtlichen Aufgabe umgeschaut. Die Freiwilligenagentur im Beueler Rathaus machte mich auf „Kultur verbindet e.v.“ aufmerksam: ein kleiner, damals noch junger Verein suchte BuchPaten und BuchPatinnen, die mit Migrantenkindern zusammen die Freude am Buch entdecken  und gemeinsam den Grundstein für eine kleine Bibliothek setzen würden. Mich überzeugte das Konzept des Vereins, das weit über eine Lesepatenschaft hinaus geht, monatliche Kulturveranstaltungen anbietet und über die Beziehung zwischen BuchPatin und Patenkind einen Weg zum Austausch und zur Integration ermöglicht. Mittlerweile besuchen meine ersten beiden Patenkinder schon weiterführende  Schulen, aber wir gehen immer noch zusammen ins Theater oder  treffen uns auch mal zum Spielen. Und inzwischen habe ich gern auch die Koordination des Projekts „Meine erste Bibliothek“ übernommen und teile mir die Aufgabe mit den beiden engagierten BuchPatinnen Sabine Böhm und Sabine Vetter.

Heidi Baumann
- Koordination "Meine erste Bibliothek" -

 


 

Liebe Frau Cetinkaya,

vor etwas mehr als drei Jahren bin ich durch Sie ein Buchpate geworden. Dafür möchte ich Ihnen heute einmal Dank sagen, weil mir das Lesen mit den Kindern so viel Freude macht. Mein Dank gilt ebenso Frau Fromm, die mich (und die anderen Buchpaten in der Lyngsbergschule) von Beginn sehr unterstützt hat, Herrn Jochem (Gotenschule) und den freundlichen Lehrerinnen an den Schulen.

Bei einem Literaturabend der Parkbuchhandlung in der Marienforster Kirche haben Sie für den Verein „Kultur verbindet“ geworben, und kurz darauf gab es ein Treffen für Interessenten in den Räumen der AWO am Theaterplatz. Nun war mein Entschluss gefasst: ich wurde Buchpate in der Lyngsbergschule.

Mein erstes Patenkind war Mohamed. Seine Klassenlehrerin, die leider viel zu früh verstorbene Frau Reichling, und ich waren der beide der Meinung, „Mohamed ist ein tolles Kind.“ Und er sagte immer wieder voll Überzeugung: „Lesen ist cool.“ Mohamed ist jetzt schon in einer weiterführenden Schule.

Derzeit betreue ich sechs Buchpatenkinder an zwei Vormittagen in der Lyngsbergschule, der Gotenschule und der Beethovenschule. Die Eltern kamen aus der Türkei, aus Algerien, Tunesien, Marokko, Sri Lanka und Kroatien nach Deutschland. Bunter geht es nicht. So verschieden die Kinder auch sind: gemeinsam ist ihnen ihre Neugier, ihre Aufgeschlossenheit und der Eifer, mit dem sie beim Lesen sind, egal, ob sie nun schon flüssig oder noch etwas stockend lesen.

Auch deshalb schreibe ich Ihnen, weil es immer wichtiger geworden ist, Brücken zu schlagen zwischen den Menschen aus verschiedenen Kulturen und Staaten, und ich werde mich auch weiterhin herzlich gern für den Verein „Kultur verbindet“ und die Kinder engagieren.

In diesem Sinn grüßt Sie herzlich

Wolfgang Hachtel
- BuchPate

 


 

Buchpatenschaft

Vor ein paar Wochen wartete ich vor dem Eingang der Lyngsbergschule, in der Sonne sitzend, auf das Ende der großen Pause, um dann mit meinem Buchpatenkind zu lesen und mich zu unterhalten. Plötzlich machte sich Aufregung in einer Mädchengruppe breit und zwei Zweitklässlerinnen brachten "mein" Patenkind zu mir an die Bank. Sie setzten sie neben mich, denn sie war schwach, ganz fahl im Gesicht und konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten. Eines der Mädchen lief ins Büro der Schule und rief die Mutter an, die ganz in der Nähe ihre Arbeitsstätte hat. Die Mutter war auch bald da, nahm ihre Tochter in den Arm und ging mit ihr nach Hause. Das Lesen mit ihr fiel also heute aus.

Das war der Anknüpfungspunkt für eine der beiden Freundinnen. Sie fragte mich, ob ich nun nicht mit ihr lesen könne. Ich muss gestehen: Die Früh­lingssonne, die gemütliche Bank sowie die sehr gekonnte Ausdrucks­weise des Mädchens brachten mich dazu, ihren Wunsch abzulehnen. Meine Be­grün­dung: Sie habe es doch gar nicht nötig, mit mir zu lesen. Sie spreche perfekt – und wahrscheinlich lese und schreibe sie auch schon sehr gut. Ja klar, das sei wohl so, antwortete sie. Aber sie hätte doch auch so gerne einen Lesepaten wie ihre Freundin, legte sie nach. Das rührte mich. Ich erklärte ihr, dass wir nicht genug Lesepatinnen und Lesepaten für alle Kinder hätten. Es wären leider gerade genug Erwachsene da, um mit den Kindern zu lesen, die das wirklich ganz, ganz nötig hätten – und das wäre bei ihr ja nicht der Fall.

Das verstand sie und nickte dazu.

Und dann vertraute sie mir ein kleines Geheimnis an: Immer, wenn sie am Wochenende zu ihrer Oma ginge, würde sie mit ihr 'Lesepate' spielen. Oma sei dann die Lesepatin, sie selbst würde vorlesen, man unterhalte sich über das Gelesene und wenn das Buch durchgelesen sei, dann würde sie es von der Großmutter geschenkt bekommen. Genau wie hier bei den Buchpaten. Also sei es gar nicht so schlimm, dass sie an der Schule keinen Buchpaten habe. Ich war beruhigt und vor Rührung kamen mir fast die Tränen.

D.B., April 2016
- BuchPate

 


 

Interview mit einer Lesepatin der Andreasschule in Rüngsdorf

Im Rahmen meiner ehrenamtlichen Tätigkeit für den Verein „Kultur verbindet e.V.“ habe ich mich am 21. März 2017 mit Frau B. (Name geändert), einer Lesepatin, in einem netten Rüngsdorfer Café getroffen und sie über ihre Arbeit mit ihrem „Patenkind“ Samira (Name geändert) erzählen lassen.
Heraus kam eine sehr interessante und rührende Geschichte zweier Menschen, die auch auf spielerische Art und Weise eine Bindung zueinander aufbauen und in ihren regelmäßigen Treffen, die nach Möglichkeit die ganze Grundschulzeit überdauern, nicht nur Bücher lesen.


Frau B., wie sind Sie auf den Verein und die Aufgabe als Lesepatin aufmerksam geworden?

Im Zusammenhang mit den verschiedenen, in unmittelbarer Nähe zu meinem Wohnort entstandenen Flüchtlingsunterkünften habe ich mich gefragt, ob nicht auch ich in diesem Bereich unterstützen kann. Dann bin ich Anfang 2016 im General Anzeiger auf eine Anzeige des Vereins „Kultur verbindet e.V.“ aufmerksam geworden. Der Aufruf „Lesepaten gesucht“ hat mein Interesse geweckt.


In welcher Schule sind Sie tätig und wie kam es dazu, dass Sie ausgerechnet mit Samira zusammen arbeiten?

Über den Kontakt zum Verein habe ich mich im März 2016 bei der Andreasschule in Rüngsdorf gemeldet und mit der Lehrerin besprochen, dass ich gerne mit einem Mädchen zusammen arbeiten würde, das auch gerne malt und bastelt.
Für die Lehrerin war damit schnell klar, dass Samira, ein 7-jähriges marokkanisches Mädchen, das richtige Patenkind für mich sei. Seit dem treffen Samira und ich uns regelmäßig einmal die Woche für eine Schulstunde in der Andreasschule. Samira wird für diese Zeit vom Unterricht frei gestellt.


Wie läuft diese „Lesestunde“ dann in der Regel ab?

Wir haben keinen festen Ablauf. Es kommt ganz darauf an, wie Samira drauf ist und was ich für die Stunde vorbereitet habe.
Angefangen haben wir mit einem Buch („Paula und das neue Fohlen“) in dem wir im Durchschnitt drei bis vier Sätze gelesen und die abgebildeten Bilder gründlich angesehen haben. Dann hat auch Samira angefangen selbst Bilder zu malen. Manchmal hatten die Bilder mit der „ Paulageschichte“ zu tun, manchmal aber auch mit Samira persönlich. So z.B. mit ihren Reisevorbereitungen vor den Sommerferien. Den jeweiligen Titel des Bildes hat Samira dann benannt und auf die Rückseite des Bildes geschrieben. Schließlich haben wir die Bilder aneinander geklebt und so Samiras „Erste Bildergeschichte“ gebaut – ich durfte die Bilder abfotografieren und so hat Jede von uns ein Exemplar zu Hause.
Vor den Ferien haben wir die Tiere, die in der Geschichte vorkommen plastiziert und angemalt. Das sollte dazu dienen, dass die Geschichte, die wir über die Ferien unterbrechen mussten, dann nicht so schnell vergessen würde.
Als Samira „ei“ und „ie“ häufig beim Lesen vertauschte, haben wir mit Knetgummi die Buchstaben gebastelt und sie anschließend „ von allen Seiten betrachtet“.
Manchmal habe ich auch selber einen Text geschrieben über das, was wir bisher alles gemacht haben. Das fand Samira sehr toll.
Um St. Martin herum habe ich Samira ein marokkanisches Märchen über eine Zauberlaterne und die Geschichte von Sterntaler vorgelesen. Dazu haben wir bunte Sterne gebastelt.
Im Frühling haben wir zusammen eine Tulpenzwiebel eingepflanzt und in einem Heft halten wir Woche für Woche Samiras Beobachtungen dazu fest. Dazu kommen Zeitungsartikel und Fotos. Daraus entwickelt sich dann unser „Experimentbericht“.
Im Moment lesen wir eine „ Ziegengeschichte“ in „ schöner Schrift“ (Schreibschrift) und schaffen pro Stunde ein ganzes Kapitel mit ca. 8 Seiten.


Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen bei der „Arbeit“ mit Samira?

Zunächst ging es darum, Vertrauen zu ihr aufzubauen und deutlich zu machen, dass ich nicht die „Geschenk-Tante“ und auch keine Ersatzlehrerin bin.
Herausforderung für mich ist vor allem, mich jeweils flexibel auf Samira einzustellen. Wenn Samira beim Klettern in der Pause hingefallen ist und eine Wunde hat, wenn die Haare nach dem ersten Schwimmunterricht noch nass sind oder der 5. Zahn ausgefallen ist, brauchen auch diese Dinge dann ihre Aufmerksamkeit und müssen besprochen werden. Da kann man dann nicht einfach „weiter im Text“ machen.
Schade ist, dass Samira die vielen tollen Angebote die der Verein anbietet (Ausflüge in die Natur, Museumsbesuche mit Kinderexperimenten, Theatervorstellungen usw.), noch nicht mitmachen konnte. Ihre Eltern haben Schwierigkeiten zu verstehen, worum es bei den Einladungen geht und das Drumherum zu organisieren, da sie im Schichtdienst arbeiten.


Welche persönlichen Ziele verfolgen Sie mit dieser Aufgabe?

Ich möchte Samira dabei unterstützen, lesen und schreiben zu lernen, ihren Wortschatz zu erweitern - zu Hause spricht sie kein Deutsch - und sie ermuntern, sich mit Sprache, Bildern, Klängen und Farben auszudrücken. Ich möchte Samiras Selbstbewusstsein unterstützen und habe natürlich auch ein offenes Ohr, wenn bei Samira gerade „ der Schuh drückt“.

Ich danke Frau B. für ihr offenes und sehr unterhaltsames Interview und wünsche ihr weiterhin ganz viel Freude, Spaß und Erfolg mit Samira. Toll, dass es Menschen gibt, die etwas von sich selbst mit so viel Enthusiasmus weitergeben.

Claudia Starke, März 2017

Auszug aus dem „Bilderbuch“: