Arzu Çetinkaya ist die Vorstandsvorsitzende des Vereins „Kultur verbindet e.V.“ und eine der Mitbegründer*innen im Jahr 2008. In den ersten fünf Jahren übernahm sie viele Organisations- und Koordinationsaufgaben bis eine Projektkoordinationsstelle geschaffen wurde. Mittlerweile engagieren sich auch viele Freiwillige im administrativen Bereich, sodass sie dabei entlastet ist und den Verein hauptsächlich nach außen repräsentiert.

1. Wie ist Kultur verbindet e.V. entstanden? Welche Beweggründe hatten die Mitbegründer*innen im Jahr 2008?

- Meine Freundin Hülya Truong kam auf mich zu und erzählte mir von einer Projektidee. Der Ursprungsgedanke war, ausländische Studierende bei ihrer Integration und im Studium zu unterstützen.  Ich war aber davon überzeugt, dass man zunächst jüngeren zugewanderten Kindern helfen musste, damit sie später in Schule und Beruf die gleichen Chancen haben wie Kinder aus einheimischen Familien. Es sollten Kinder im Grundschulalter sein - ein Alter, in dem sie sehr begeisterungsfähig und wissbegierig sind -, die man an die Hand nehmen und fördern musste.  Ihnen und ihren Familien sollten all‘ die unendlich vielen Möglichkeiten gezeigt werden, die unsere Stadt Kindern bietet, damit sie ihre Freizeit sinnvoll gestalten und sich gut entwickeln können. Meine Idee überzeugte auch die anderen Mitbegründer*innen und wir entschieden uns an die Schulen zu gehen, wo wir die Kinder und ihre Familien einfacher erreichen konnten. Dadurch entstand unser größtes Patenschaftsprojekt „Meine erste Bibliothek“ bei dem es darum geht, Kindern aus zugewanderten Familien mit der Unterstützung ihrer BuchPaten*innen das Medium BUCH näher zu bringen. Die Bücher, die sie in der Patenschaft lesen, schenken wir ihnen, damit sie damit den Grundstein für ihre eigene Bibliothek legen können.

2. Wie kommt der Verein momentan mit den Corona-Einschränkungen zurecht?

- Momentan können wir unser Projekt an den Schulen leider nicht umsetzen, auch Kulturangebote können wir für unsere Kinder nicht anbieten, obwohl sie das in dieser schwierigen Zeit dringend brauchen. Viele Patenschaften ruhen momentan, da es nur wenigen Patinnen und Paten gelingt, den Kontakt zu ihren Patenkindern über eine digitale Plattform aufrechtzuerhalten. Es ist für viele eine große Herausforderung, mit den neuen Kommunikationswegen umzugehen. Einige Patinnen und Paten sind in dieser Zeit leider auch ausgeschieden, andere pausieren und werden nach dem Lockdown hoffentlich wieder ein Kind oder „ihr" Kind weiterbetreuen.

3. Was war Ihr schönstes Erlebnis in der Vereinsarbeit? Was war das Besondere?

- Wir haben eine ganze Reihe wunderbarer Anekdoten bei unseren Patenschaften gesammelt. Eine deutsche Ärztin hat zum Beispiel vor 12 Jahren eine KulturPatenschaft für ein türkisches Mädchen aus einer sehr frommen Familie übernommen. Noch heute erinnert sich die Ärztin gerne an das türkische Mädchen und ihre Familie, von der sie viel über Toleranz und Akzeptanz gelernt hat z.B. auch über das Thema „Kopftuch tragen“. Bis heute sind sie gut befreundet, obwohl das Mädchen schon längst keine Unterstützung mehr benötigt und sich im Studium befindet. Ihre beiden Leben sind bereichert, die Ärztin hat das Mädchen so in ihr Herz geschlossen, dass sie sie ihre Enkelin nennt. Normalerweise wären diese Menschen auf der Straße aneinander vorbeigelaufen, hätten sich nicht gegrüßt und auch nie kennen gelernt. Und so ist durch unseren Verein eine Freundschaft fürs Leben entstanden. Solche und ähnliche Geschichten sollen noch mehr werden. Mit solchen Geschichten könnte ich ein ganzes Buch füllen.

4. Lesen Sie gerne und haben Sie als Kind gerne gelesen? Haben Sie ein Lieblingskinderbuch?

- Ich lese gerne, aber als Kind las ich deutlich weniger. Früher interessierten mich Fantasy Bücher, doch mittlerweile lese ich sehr gerne Biografien. Die erlebten Lebensgeschichten finde ich sehr spannend.

5. Was wünschen Sie dem Verein als Vorsitzende für die Zukunft? In welche Richtung sollte der Verein sich entwickeln?

- Wir haben im Verein noch Einiges vor. Mein persönliches Ziel ist es immer noch, dass sich noch mehr Freundschaften zwischen ausländischen und deutschen Familien bilden. Jede deutsche Familie sollte mindestens eine ausländische Familie persönlich kennen und die Familienmitglieder als „ihre Freunde“ bezeichnen können. Denn nur so können Vorurteile weniger und das Verständnis für das Fremde größer werden. Das Einrichten einer Begegnungsstätte für Alt und Jung, für Groß und Klein, für Menschen aus allen Kulturen – das ist eines meiner nächsten Ziele für den Verein!


Am 01.02.2021 interviewt von Victoria Luin / Bildquelle: Kultur verbindet e.V.